Mittelschichtwohnen im Nachkriegsitalien: Auf der Suche nach Hausgeschichten

Ein Forschungsprojekt zu 23 nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Wohn­bauten für die Mittelschicht von Mailand, Rom und Turin eröffnet ein neues Kapitel der Geschichte des italienischen Massenwohnungsbaus. Entscheidend ist das Vorgehen der über 20 am Projekt beteiligten Architekten und Histo­riker, die anhand eines umfangreichen Korpus neuer schriftlicher und mündli­cher Quellen die Mikrogeschichte von Alltagsbauten zu einem experimentel­len Vergleich weiterentwickeln. Diese „serielle Geschichte“ erzählt nicht nur die Hausbiographien aus der Perspektive der beteiligten Akteure, die diese Gebäude teilweise über Jahrzehnte geprägt haben. Sie legt auch die vielfälti­gen Querbeziehungen der institutionellen Vernetzung und territorialen Ein­bettung offen und wirft so einen neuen Blick auf die urbanen Wachstumspro­zesse des italienischen Wirtschafswunders. Im vorliegenden Beitrag erörtern zwei der Projektleiter, Gaia Caramellino und Filippo de Pieri, ihre Methode anhand ausgewählter Beispiele und präsentieren zum Schluß drei offene Forschungsfragen.

Domestic Italy After World War II: Collecting Stories from Middle-Class Houses

The article discusses a research project on 23 residential buildings developed for the middle classes in the postwar period in Milan, Rome, and Turin, a proj­ect which has opened a new perspective in the history of mass housing in Italy. Of critical importance are the methods employed by the more than 20 schol­ars who, based on an expansive corpus of oral and textual sources, developed the micro-histories of everyday architecture into an experimental comparative study. This “serial history” not only relates the house biographies from the perspective of various actors involved in these buildings over the course of several decades. It also reveals the multiple interdependencies of institutional networks and the buildings’ siting, resulting in a new understanding of the urban growth during the Italian economic boom. In the following essay, two of the lead researchers, Gaia Caramellino and Filippo de Pieri, explain their methods on the basis of selected case studies, and frame three questions for future research.