Die Waldschratschule in der Industriehalle

Am Stadtrand von Bielefeld, direkt neben dem riesigen Gebäudekomplex der Universität, liegt ein unauffälliger, dunkelroter Flachbau mit Sheddach. Was von außen an eine Fertigungshalle erinnert, beherbergt im Inneren eines der wichtigsten Experimente der deutschen Reformpädagogik in den 1960er- und 1970er-Jahren: die Laborschule und das Oberstufenkolleg des Reformpäda­gogen Hartmut von Hentig. Das Gebäude ist einerseits ein Kind seiner Zeit, anderseits deren herausragende Ausnahme. Schulreformen, Gesamtschulkon­zepte, flexible Systembau- und Großraumlösungen sowie radikale Unterrichts­experimente wurden damals als Mittel progressiver Gesellschaftsreformen begriffen und in schneller Folge diskutiert, umgesetzt und erprobt. In diesem aufgeladenen Spannungsfeld zwischen Architekturdebatte und Bildungspoli­tik entwarf der Berliner Architekt Ludwig Leo ein ambitioniertes Haus für die von Hentig konzipierte „entschulte Schule“. Sein Projekt macht deutlich, wie Leo die technischen Bedingungen und Möglichkeiten der Architektur als Mit­tel eines emanzipatorischen Programms zu deuten und einzusetzen versuchte. Leo stieg während der Planung im Streit aus dem Projekt aus, und sein Ent­wurf blieb unrealisiert, bildete aber dennoch die Grundlage für die schließlich durch das Berliner Planungskollektiv Nr. 1 gebaute und heute noch erfolgreich genutzte Schule.

The Forest-Gnome School in the Factory Hall

On the edge of Bielefeld, right next to the huge university complex, there is an unassuming, low, dark-red building with a sawtooth roof. What looks from the outside like a factory hall, houses, on the inside, one of the most important experiments in German “progressive education” of the 1960s and 70s—the “Laborschule” and the “Oberstufenkolleg” as conceived by the educationist Hartmut von Hentig. The building is on the one hand a product of its age while on the other representing its outstanding exception. Back then, reforms in the education system, ideas on comprehensive schooling, flexible system-building, open-plan solutions and radical teaching experiments were understood as the means towards progressive social reforms, and, in rapid succession, discussed, implemented and tried out. In this highly charged field between architectural debates and educational policy, the Berlin architect Ludwig Leo designed an ambitious building for the “de-schooled school” conceived by von Hentig.