Die Hölle des Dekors.
Als die Großwohnsiedlung Grigny la Grande Borne zwischen 1967 und 1971 entstand, hielten viele Fachleute das Wohnquartier in der südlichen Pariser Banlieue unter anderem aufgrund der sanft geschwungenen Grundrissgeometrie für eine gelungene Alternative zum Gros der französischen Grands Ensembles. Gemäß der Argumentation des verantwortlichen Architekten Émile Aillaud bildete La Grande Borne im Gegensatz zu der Monotonie der Großwohnsiedlungen der Nachkriegszeit eine „ville“, eine differenzierte „Stadt“. Im Zuge des Richtungswechsels der französischen Raumordnungs- und Wohnungspolitik stellten der Journalist Jacques Frémontier und der Filmemacher Bernard Gesbert Aillauds Diskurs jedoch infrage. In ihrer Fernsehreportage Grigny la Grande Borne ou L’enfer du décor von 1973 zeigten sie Aillauds Unverständnis und Gleichgültigkeit gegenüber den Lebensbedingungen der Bewohner. Hélène Jannière untersucht diesen Wendepunkt in der medialen Debatte über Grigny. Der Film steht sinnbildlich für die Veränderungen der Architekturkritik in den 1970er-Jahren und veranschaulicht die allgemeine Entwicklung: von einer ästhetischen Kritik der Architektur- und Stadtplanungskonzepte hin zu einer Gesellschaftskritik ihrer Lebensformen und verinnerlichten Herrschaftsbeziehungen.