„Wer Banham zu übersetzen versucht, verdient, für Tapferkeit ausgezeichnet zu werden.“
Mit diesem Zitat des Architekten Peter Smithson schließt Reyner Banham das Vorwort zur deutschen Ausgabe seines Buches Brutalismus in der Architektur. Ethik oder Ästhetik?, das 1966, zeitgleich mit der englischen Fassung erschien. Während Banham diese Worte anführt, um seinem Verleger, seinem Herausgeber und seiner Übersetzerin zu danken, meinte Smithson damit wohl eher, dass eine Übersetzung eines so sprachlich versierten und polemischen Kritikers wie Banham zum Scheitern verurteilt ist. Immerhin wertet Smithson das Übersetzen jedoch als ein Unterfangen, für das es wert ist sich zu schlagen. Oder bezieht sich die Tapferkeit hier auf die Bewährung bei der Überwindung von kulturellen Grenzen und beim geduldigen Ausräumen von Missverständnissen?
Denn bei jeder Übersetzung geht es um eine Interpretation und die damit verbundene Deutungshoheit der Inhalte. Dabei gehen Mehrdeutigkeiten meist verloren, Sinn und Inhalt werden präzisiert, ob man das nun will oder nicht. Und jede Interpretation agiert vor dem Hintergrund ihrer Epoche, ihres lokalen und zeitlichen Kontextes.
In dieser Ausgabe stellt Claire Zimmerman das von Banham in seinem bereits 1955 erschienen Aufsatz „The New Brutalism” postulierte, interkulturelle Verhältnis von Bild und Bauwerk zu Rudolf Wittkowers Lehre in Bezug. Wir stellten wir fest, dass Banhams eben erwähnter Essay nie ins Deutsche übertragen wurde und entschieden uns, ihn übersetzen zu lassen. Nicht, weil Banham inzwischen zum Kult-Kritiker avanciert ist, sondern weil seine Gedanken in ganz unmittelbarem Verhältnis zu bildwissenschaftlichen und architekturtheoretischen Fragestellungen unserer Zeit stehen.
Smithsons Vorschlag aufgreifend, danken wir nun also Joseph Imorde für die Übersetzung von Banhams Text sowie auch für seine Übersetzung von Zimmermans Analyse. Matthias Müller danken wir für sein virtuoses Übertragen von Ian Peppers Betrachtung von Richard Serra und Robert Maillart Interessanterweise handelt die Betrachtung Peppers vom Kommentar eines Künstlers, der das Werk eines Ingenieurs liest, interpretiert und verändert. Die Frage der transatlantischen Übersetzbarkeit – diesmal von Wohnmodellen – spielt ebenso eine zentrale Rolle bei der oral history, mit der uns Kim Förster das einzige realisierte Bauwerk des legendären Institute for Architecture and Urban Studies in New York präsentiert (mit sprachlicher Unterstützung von Alta Price).
Müller danken wir sogleich noch für die Übertragung der fünf Kurzgeschichten, die die jeweiligen Gedankengänge von Philip Allin, Pedro Gadanho, Susana Oliveira, Katherine Romba und Maria Smith fassen. (Katherine Rombas Beitrag war übrigens die Anregung für diese Reihe von shorts.) Annette Wiethüchter wiederum ist dafür verantwortlich, dass die Kurzessays von Mario Carpo, Yanni Alexander Loukissas, Fabian Scheurer und Lara Schrijver gerade mit ihren Anspielungen auch in einer anderen Sprache verständlich (und unterhaltsam) bleiben.
Trotz einer mittlerweile medial gut erschlossenen Welt der Wissenschaft, wäre es übereilt, ein Wissenschaftsesperanto, eine neue Lingua franca oder andere nivellierende Standards einzufordern. Vielmehr trägt die große Vielfalt an Sprachen und ihren Kontexten ganz entscheidend zu Erkenntnisprozessen bei. Seine Autoren und Leser ermuntert Candide auch weiterhin, im Wagnis der Übersetzung die wunderbare Chance des wissenschaftlichen und interkulturellen Dialogs zu sehen.